(Fotos: C. Plaschke)
(Fotos: C. Plaschke)
(Fotos: C. Plaschke)
„Mach deinem Protagonisten das Leben so schwer wie möglich.“ Was recht gemein klingt, ist nichts anderes als das Geheimrezept eines guten Drehbuchs. Michel Bergmann ist Profi und verrät während seines Workshops am 25. April 2013 schrittweise viele seiner Erfahrungen auf dem Weg zu einem guten Drehbuch. So erfuhren die diesjährigen SchülerInnen des WU „Film“ auch, dass man nie seiner ersten Idee trauen solle. Natürlich sei es kein schlechter Gedanke, dass ein Mann eine Frau kennenlerne, indem er ihr bei einer Reifenpanne behilflich sei. Interessanter sei aber doch die Idee, dass ein Mann eine Frau kennenlerne, indem sie diejenige ist, die bei der Reifenpanne helfe.
Die klassische Drehbuchstruktur müsse man kennen und Phantasie müsse man haben, um mit dieser Struktur zu spielen. Auch wenn die Zeit zu kurz war, um es praktisch zu beweisen, so traute Michel Bergmann seinen Zuhörern doch viel von dieser Einbildungskraft zu. Die bräuchte man nämlich für einen guten Plot und ein daraus resultierendes, gutes Drehbuch. Vorm Schreiben müsse man stets viele Fragen klären: Wie können zwei Menschen sich begegnen? Wo können sich zwei Menschen sich begegnen? Und wie? Was will ich überhaupt erzählen? Etwas über Liebe? Was könnte dann diese Liebe zerstören? Oder etwas über ein Verbrechen? Welche Grundidee soll über meinem Drehbuch, meinem Film schweben? Welches Genre soll mein Film bedienen? Welchen Konflikt will ich zeigen? Einen zwischen Mensch und Natur? Oder einen zwischen Mensch und Mensch? Welchen Antagonisten baue ich ein? Was macht eine Figur aus? Was macht meine Figur aus? Hat sie Moral? Hat sie Herz? Welche Biografie hat sie? Welche Fallhöhe ist angemessen? Welchen Antagonisten baue ich ein?
Auf keinen Fall dürfe die Erwartungshaltung des Zuschauers enttäuscht werden. Es gäbe nichts Schöneres für einen Zuschauer, als dass diese erfüllt werde. Michel Bergmann hat sie bei seinem Besuch an der CWS jedenfalls erfüllt. Unter anderem weil er die Fähigkeit hat, anderen sein Wissen auf eine wertvolle erzählerische und liebevolle Art beizubringen.
„Das Leben verläuft nicht immer geradlinig“, sagt der Regisseur, Produzent, Autor und Drehbuchautor und zeigt in seinen Drehbüchern Figuren in ihrer Reaktion auf Extremsituationen. Möglicherweise auch deswegen preist er den Film „Oh Boy“ von Jan Ole Gerster an als Lehrbeispiel für einen guten Film. Womit er prophetenhaft sein feines Empfinden für gute Dinge zeigt, denn nur einen Tag nach dem Workshop ist ebendieser Film einer der großen Gewinner des Deutschen Filmpreises, unter anderem in der Kategorie „Bestes Drehbuch“.
Die SchülerInnen des WU „Film“ sind nun also bestens gerüstet für ihr eigenes Drehbuch, denn was Michel Bergmann zeigte, ist sein gutes Gespür für gute Figuren, gute Storys, gute Drehbücher und gute Filme. Aber was er uns in seinem Workshop vor allem zeigte, ist Herz.
(Pl, 28.04.13)