Am 17. Oktober 2018 führte der Biologie - Leistungskurs der Q3 der Christian-Wirth-Schule eine Exkursion an den Kirbach in Kraftsolms durch. In Kraftsolms, einem Ortsteil der mittel-hessischen
Gemeinde Waldsolms im südlichen Lahn-Dill-Kreis, mündet der Kirbach in den Solmsbach. Der Solmsbach entspringt im östlichen Hintertaunus und ist ein 24,6 km langer, linksseitiger Zufluss der
Lahn.
Passend zum Unterrichtsthema, der Strukturierung von Ökosystemen am Beispiel der Fließ-gewässer, führten die acht Schüler des Bio-LKs unter der Leitung ihrer Lehrerin Frau Hartung verschiedene
Beobachtungen durch. Ausgestattet mit einem Luxmeter, Lupen, Gefäßen und zahlreichen Bestimmungsbüchern machte sich der Leistungskurs auf, Pflanzen und Tiere der Bachregion zu identifizieren.
Zusätzliche Anhaltspunkte lieferten die Analyse der Wasserqua-lität sowie der Sauerstoffgehalt und die Temperatur des Wassers.
Eine Besonderheit infolge der zahlreichen Monate der Trockenheit war, dass der Kirbach im Oktober 2018 extrem wenig Wasser führte. Dennoch konnten typische Eigenschaften eines Fließgewässers vor Ort beobachtet werden: In der Zone nach der Quelle (genauer gesagt, hat der Kirbach drei Quellzuflüsse) fließt der Bach in Mäandern durch den Wald Richtung Solmsbachtal. An der Beschaffenheit des Bodens wie beispielsweise dem Grad der Feuchtig-keit und insbesondere an Prall- und Gleithängen konnte das Bachbett sehr gut verfolgt wer-den. Im weiteren Verlauf, also im Bereich mit weniger Gefälle und landwirtschaftlich genutzter Umgebung, fiel uns der begradigte Bachlauf, gesäumt von Weiden und Schwarz-Erlen, auf. Im Dorf selbst wurde der Kirbach für die letzten Meter vor der Mündung kanalisiert und verläuft nun unterirdisch.
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Nach etwa zwei Stunden Beobachtungsarbeit hatte man neben einem durch Äpfel gesättigten Magen noch einige verschiedene Proben zur weiteren Analyse in Gläsern mitgenommen und der Kurs konnte den
Nachmittag – angesichts des milden Wetters – mit einem gemeinsamen Kaffeetrinken im Hartung’schen Garten ausklingen lassen.
In der auf die Exkursion folgenden Doppelstunde wurden dann einzelne Funde genauer untersucht und bestimmt. Einige zoologische und botanische Beobachtungen und unsere Untersuchungsergebnisse sind
im Folgenden dargestellt
Bachflohkrebse
Da sich unsere Biologie-Exkursion mit dem Thema „Fließgewässer“ beschäftigte, war die Auseinandersetzung mit den Tieren, die im Bach ihren Lebensraum haben, selbstverständlich. Bei näherem
Hinsehen konnten wir ein kleines krebsartiges Tier erkennen.
Dieses lässt sich als Flohkrebs identifizieren. Der Flohkrebs (Gammarus pulex) gehört zur wichtigsten Familie der Krebse der Binnengewässer, den Gammariden. Flohkrebse leben in allen
Gewässerarten, wobei der Sauerstoff und Kalkgehalt nicht zu gering sein dürfen. Flohkrebse leben in Fließgewässern meist zwischen Steinen, Holz, Wurzeln und verrottendem Laub und sind meist nicht
tiefer als 2m unter der Wasseroberfläche zu finden. Flohkrebse ernähren sich vorwiegend von lebenden oder verwesenden Pflanzen und Detritus. Die Extremitäten des Hinterleibs erzeugen einen
Wasserstrom, wodurch die Flohkrebse Nahrungsteilchen, frisches Atemwasser und Geruchsstoffe aufnehmen. In seiner Ruhestellung liegt das hochrückige Tier seitlich auf dem Boden oder hält sich an
einer Pflanze fest. Dabei ist der Körper eingekrümmt. Wenn das Tier seinen Hinterleib streckt, bewirkt dies den Vortrieb zum Schwimmen. Bei Gefahr streckt sich der Flohkrebs ruckartig. Dadurch
schnellt das Tier vom Untergrund weg und gelangt im „Sprung“ zum Schwimmen über. Vor der Begattung klammert sich das Männchen etwa 8 Tage auf dem Rücken des Weibchens fest und wartet dort, bis es
geschlechtsreif ist.
Köcherfliegenlarven
Im Zuge der Betrachtung des Bachs und der darin lebenden Lebewesen fanden wir zwei ver-schiedene Köcherfliegenlarven unterschiedlicher Gattungen.
Köcherfliegenlarven gelten im Allgemeinen als Indikator für gute bis sehr gute Wasserquali-täten. Der Kirbach, das Objekt der Untersuchung, hat also eine sehr gute Wasserqualität. Dies ist darin
begründet, dass in den kleinen Bach keinerlei Schmutzwässer oder ähnliches einge-leitet werden, zumindest solange er noch im Wald in der Nähe des Quellbereichs verläuft. Stromabwärts ist der
Kirbach von landwirtschaftlich genutzten Flächen wie beispielweise Weiden zur Rinderhaltung umgeben, sodass hier mit Verunreinigungen durch Tierkot zu rechnen ist.
Die Köcherfliegenlarve baut sich für ihren Schutz gegen Fressfeinde und gegen die Strömung den namensgebenden Köcher. Dieser ist röhrenförmig und transportabel, je nach Art wird er aus Steinchen,
Sand oder abgestorbenem Pflanzenmaterial gebaut. Mit einem Sekret kleben die Larven das Material zu einem Köcher zusammen und vergrößern diesen mit fortschreiten-dem Wachstum, sodass der Köcher
eine Krümmung bekommt und das Ende aufgrund der geringeren Größe der jüngeren Larve deutlich schmaler und oft leer ist.
Neben der Beschaffenheit des Köchers ist auch die Größe des Köchers ein wichtiges Erken-nungsmerkmal für die Bestimmung der Gattung. So ließen sich die beiden gefundenen Exemplare recht sicher
als Individuen der Gattung Sericostama spec. (Abbildung 1) und Potamophylax spec. (Abbildung 2) identifizieren. Zweifelsfrei sind die Larven allerdings nur bei Herausnehmen aus dem Köcher zu
identifizieren, was aufgrund der Komplexität nur Experten vorbehalten ist.
Sericostama ist bis zu 15 mm lang und 2-3 mm breit, Potamophylax ist hingegen 2-3 cm lang und 8-10 mm breit. Der Köcher von Potamophylax ist dabei deutlich gröber gebaut und enthält im Gegensatz
zu Sericostama auch abgestorbenes Pflanzenmaterial. Sericostamas Köcher besteht nur aus Steinchen und ist sehr fein gebaut.
Köcherfliegenlarven ernähren sich von abgeschabten Algenpartikeln und von zersetzten Pflanzenresten, die meist durch Laubfall in den Bach gelangen.
Das adulte Tier, die Köcherfliege, ist erkennbar an behaarten, großen Flügeln und langen schnurförmigen Fühlern.
Schwarz-Erlen
Wir konnten den Lauf des Kirbachs im Bereich der offenen Wiesen- und Weidenlandschaft selbst von weitem gut verfolgen, da er neben Weiden von stattlichen Schwarz-Erlen gesäumt ist. Ansonsten fiel
uns auf, dass die landwirtschaftliche Nutzung der Flächen beiderseits des Baches bis sehr nahe an den Bach heranreicht. Schwarz-Erlen konnten auch noch in den ers-ten, sehr lichten
Waldabschnitten entlang des Baches beobachtet werden.
Die Schwarz-Erle (Alnus glutinosa) gehört zu der Gruppe der Birkengewächse und wird 10-25 Meter hoch. Die Blütezeit ist März und April.
Die männlichen Fruchtkätzchen sind zur Blüte hängend und langgestreckt. Die weiblichen Fruchtkätzchen hingegen sind klein und haben eine eikugelige, zapfenartige Form.
Die Knospen sind klebrig und an der Spitze oft ausgerandet, das Holz beziehungsweise die abgesägten Stümpfe haben eine orangerote Farbe.
Außerdem benötigt die Schwarz-Erle einen feuchten oder nassen, aber eher kalkarmen Boden, der reich an Mineralien ist. Sie kommt häufig in West- und Mitteleuropa vor.
Des Weiteren lebt die Schwarz-Erle in Symbiose mit Strahlenpilzen und bildet in den befalle-nen Wurzelregionen Knöllchen. Diese verwerten den Stickstoff der Luft, der den meisten höheren Pflanzen
nicht direkt zugänglich ist. Auf staunassen Böden ist sie daher eine Pio-nierpflanze.
Strudelwürmer
Ebenfalls im Kirbach zu finden waren Strudelwürmer (Turbellaria), wobei die Anwesenheit dieser Spezies weitere Rückschlüsse auf die Wasserqualität zulässt, da Strudelwürmer empfindliche
Zeigerorganismen für den Verschmutzungsgrad von Gewässern darstellen. Durch die Ähnlichkeit in Größe und Färbung wurden die Würmer zunächst fehlerhaft als weitaus weniger anspruchsvolle Egel
identifiziert. Eine Abgrenzung vom Egel konnte erst im Nachhinein durch ein vergrößertes Bild der Augenflecke erfolgen. Eine stereomikroskopische Betrachtung der Körperform (vgl. Abbildung)
ermöglichte zudem die Einordnung der gefun-denen Exemplare in die über 400 europäischen Arten der Klasse Turbellaria. Es handelte sich höchstwahrscheinlich um Dugesia gonocephala
(Dreiecksstrudelwurm), eine Art, die in Bächen und Flüssen heimisch ist und auch sauerstoffarmes Wasser toleriert. Die namensge-bende dreieckige Kopfform ist deutlich zu erkennen. Die Beobachtung
zeigte auch, dass sich die untersuchte Art als eine der größeren ausschließlich über Oberflächen gleitend zielgerichtet fortbewegt. Weitere Strudelwurm-Arten wurden nicht gefunden. Im Falle des
Kirbaches wäre auch die Besiedelung durch weitere Strudelwurm-Arten möglich, da der Bach an der Fundstelle schnell fließt und einige Strudel aufweist, wodurch eine Anreicherung mit Sauer-stoff
begünstigt wird. Dennoch wurden bei Stichproben nur Würmer der Art D.gonocephala gefunden. Die Abwesenheit anderer Arten, insbesondere der üblicherweise im Oberlauf hei-mischen Strudelwürmer,
könnte durch die Hitze des vorangegangenen Sommer erklärt wer-den: D.gonocephala weist als eurytherme Art eine deutlich höhere Resistenz gegen Tempera-turschwankungen (0,5°C bis 25 °C) auf als
die im Oberlauf heimischen Arten.
Dank der Fähigkeit, auch unter sich verändernden Bedingungen zu überleben, zählt D.gonocephala zu den am weitesten verbreiteten heimischen Arten. An der Fundstelle selbst ließ sich auch das
lichtscheue Verhalten, das alle Arten der Turbellaria zeigen, beobachten: Alle der beschriebenen Exemplare wurden unter Steinen oder unter im Bach befindlichem Totholz gefunden.
Für die Forschung ist Dugesia gonocephala dank seiner Regenerationsfähigkeit von besonde-rem Interesse: Bereits aus einem Tausendstel eines Organismus kann wieder ein vollständiger Wurm
entstehen. Adulte Dreiecksstrudelwürmer verfügen über eine große Anzahl an Neoblasten, also undifferenzierten Stammzellen, die ihnen diese umfangreiche Regeneration ermöglichen. Die Erforschung
der an dieser Regeneration beteiligten Mechanismen ermöglicht ein besseres Verständnis der menschlichen Stammzellen und könnte neue Therapiemög-lichkeiten in der Humanmedizin eröffnen.
Wald-Sauerklee
Im Bereich des Buchen-Mischwaldes konnten wir Blätter des Sauerklees entdecken, der uns als Schattenpflanze schon im Zusammenhang mit der Fotosynthese im Unterricht begegnet war. Der am
häufigsten regional zu findende Sauerklee ist der Wald-Sauerklee (Oxalis acetosella). Seinen Namen hat er, weil seine Blätter säuerlich schmecken (sie sind auch in großen Mengen verzehrt giftig)
und weil sie denen des Wiesen-Klees ähneln. Der Wiesen-Klee (Trifolium pratense) gehört jedoch zu den Schmetterlingsblütlern und ist somit nicht mit dem Sauerklee verwandt, der einer eigenen
Pflanzenfamilie, nämlich den Sauerkleegewächsen (Oxalidacae) angehört. Der Wald-Sauerklee bevorzugt schattigen und feuchten Boden in Laub-Mischwäldern. Er kommt auch in den Alpen in bis zu 2000
Metern Höhe vor. Bis ins 19. Jahrhundert wurde das aus Sauerklee gewonnene Salz (Acidum oxalicum) zur Politur von Naturstein benutzt.
Der Wald-Sauerklee kann in kleinen Mengen Salaten, Suppen und anderen Speisen beige-mischt werden. Der Sauerklee blüht von April bis Mai, weshalb wir im Oktober seine Blüten nicht in der Natur finden konnten. Er bildet zwei Arten von Blüten aus: offene Blüten im Frühjahr, die durch Bienen und Hummeln bestäubt werden, mit geringem Samenertrag und geschlossene Blüten mit Selbstbestäubung in Bodennähe, hier ist der Ertrag in der Regel hö-her.
Tollkirsche
Die Echte Tollkirsche (Atropa belladonna) gehört zu der Gruppe der Nachtschattenge-wächse (Solanaceae). Typisch sind ihre braunvioletten bis grünlichen, glockigen Blüten von 2-3 cm Länge. Im
Herbst reifen die glänzend schwarzen, kirschgroßen Früchte. Wir fanden einige Exemplare mit Früchten am höchsten Punkt unserer Wanderung im Quellbereich des Kirbaches. Dort gibt es einige
Wegegabelungen und Kahlschläge.
Beschreibung:
Die Staude wird 0,5-1,5 m hoch und blüht von Juni bis August. Ihre Blätter sind bis zu 15 cm lang und wechselständig. Im Blütenbereich sind ein großes und ein kleines Blatt scheinbar
gegenständig. Die Blätter sind eiförmig bis elliptisch, ganzrandig, flaumig.
Die Blüten sind nickend, scheinbar achselständig, gestielt, einzeln, fünfzählig. Ihre Kronen sind walzig-glockig, außen braun-violett, innen grau gelb, rötlich-marmoriert mit aufgeboge-nen
Zipfeln.
Vorkommen:
Die Tollkirsche kommt auf Waldlichtungen und an Waldwegen vor. Man findet sie auf fri-schen, meist kalkhaltigen Böden.
Wissenswertes:
Die Pflanze ist giftig. Sie enthält die Alkaloide Hyoscyamin, Scopolamin und Atropin. Atro-pin erweitert die Pupillen. Dies wurde früher als schön empfunden und daher wurde die Pflanze zur
Vergrößerung der Pupillen aus kosmetischen Gründen verwendet. Diese Eigen-schaft der Tollkirsche floss in den Artnamen mit ein (bella donna = schöne Frau). Atropa be-zieht sich auf die
griechische Schicksalsgöttin Atropas (die „Unabwendbare“). Sie schnitt den Lebensfaden ab.
Vögel können die Beeren unbeschadet fressen und so die Samen verbreiten.
Wirkungsweise des Atropins:
Atropin ist ein Racemat bestehend aus D- und L-Hyoscyamin.
Es ist ein kompetitiver Hemmstoff, sozusagen der Gegenspieler des Acetylcholins, einem wichtigen Neurotransmitter. Atropin besetzt die Acetylcholin-Rezeptor-Stellen der Natrium-Kanäle der
postsynaptischen Membran.
So wird die Öffnung dieser Kanäle durch Acetylcholin verhindert. Atropin hemmt vor allem Acetylcholinrezeptoren des Parasympathikus des vegetativen Nervensystems. Dieses ist an der
unwillkürlichen Steuerung der meisten inneren Organe und des Blutkreislaufes beteiligt. Davon betroffen sind Synapsen des Herzens, Synapsen der Eingeweide und Synapsen der Irismuskeln des Auges.
Schmetterlinge
Während unserer Exkursion fanden wir unterwegs eine Raupe, über deren Artzugehörigkeit wir uns nicht im Klaren waren. Es handelt sich um eine Raupe mit einer Größe von 3-4 cm und langen braunen
Chitinhaaren. Nachforschungen während des Unterrichts lassen uns jetzt vermuten, dass es sich um einen Braunen Bären handelt, da dessen Raupe ebenfalls die typi-sche lange und braune Behaarung
aufweist.
Der Braune Bär (Arctia caja) gehört zur Überfamilie der Nachtfalter (Noctuoidea) und dort zur Familie der Eulenfalter. Die Spannweite des adulten Tieres liegt zwischen 45-65 mm. Der Braune Bär
lebt in ganz Europa, wobei er bei der Wahl seines Habitats nicht sonderlich wäh-lerisch ist und sowohl auf Wiesen als auch in Wäldern gefunden werden kann. Da die Raupen im August schlüpfen, ist
es durchaus möglich, dass unsere Raupe ein Brauner Bär war; auch die Tatsache, dass sich die Raupen bei Gefahr totstellen, konnte bei unserer Raupe beobachtet werden. Die Raupen ernähren sich von
vielfältigen Kräutern und Sträuchern, überwintern und verpuppen sich dann im nächsten Sommer. Das adulte Tier ist nachtaktiv und besitzt weiß-braune Vorderflügel und zinnoberrote
Hinterflügel, womit es seine Fressfeinde verwirrt.
Für Unsicherheit sorgte allerdings, dass unsere Raupe nicht die deutlichen farblichen Abgren-zungen zwischen Schwarz und Braun auf ihrem Körper besitzt und auch nicht die kleinen wei-ßen Warzen einer Raupe des Braunen Bären, weshalb wir uns sehr freuen würden, wenn je-mand uns mit Sicherheit über die Art unserer Raupe aufklären könnte.
Nachbereitung der Exkursion im Unterricht: